Öffentlicher Gesundheitsdienst und Trinkwasserhygiene

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Das Bundesgesundheitsministerium hat für seine Themenplanung in diesem Jahr u.a. auch die Vorhaben „Weiterentwicklung Pakt für den ÖGD“ und „Aufbau eines Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit“ auf der Agenda. Letzteres ist am 04.10.2023 vorgestellt worden: Das Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (kurz BIPAM) soll als vierte Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) fungieren – neben dem Robert Koch-Institut (RKI), dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die bisherige Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) soll in der neuen Behörde „aufgehen“.

Die Weiterentwicklung des Pakts für den öffentlichen Gesundheitsdienst war u.a. Thema bei einem Expert:innen-Gespräch im September (Gesundheitsausschuss am 20.09.2023). Auf den sog. ÖGD-Pakt haben sich die Gesundheitsministerinnen und -minister von Bund und Ländern am 29. 09.2020 in der Hochzeit der Corona-Pandemie zusammen mit Bundeskanzlerin und den Regierungschefinnen und -chefs der Länder geeinigt. Zwischen 2021 bis 2026 stellt der Bund  4 Mrd. Euro für Personal, Digitalisierung und moderne Strukturen zur Verfügung. Jetzt geht es perspektivisch um die Zeit ab 2027.

Fachleute betonen die Notwendigkeit, den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) in Deutschland langfristig zu stärken und weiterzuentwickeln, besonders angesichts neuer Herausforderungen nach der Pandemie. Im Rahmen eines Fachgesprächs des Gesundheitsausschusses wies Gottfried Roller vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg auf die entscheidende Rolle des ÖGD während der COVID-19-Pandemie hin und sprach sich für eine verstärkte Koordination und Steuerung durch den ÖGD aus, die multiprofessionelle Teams und eine gute personelle Ausstattung erfordern würde. Neue Herausforderungen wie Klimawandel, demografische Veränderungen, Migration und Digitalisierung erfordern eine regionalisierte, vernetzte Gesundheitsversorgung und eine gesicherte Finanzierung über 2027 hinaus.

Die Partner für Wasser haben in den zurückliegenden Jahren immer wieder zur Stärkung des ÖGD mit Blick auf die Trinkwasserhygiene Stellung bezogen. Hier einige Forderungen, die nach wie vor Bestand haben und in die Diskussion um die Weiterentwicklung des ÖGD-Paktes einfließen sollten. Insbesondere vor dem Hintergrund der im Sommer neu in Kraft getretenen Trinkwasserverordnung. Einige Aspekte sind auch im bereits erwähnten Fachgespräch im Bundestag (s.u.) enthalten. Welche Punkte sind das im Einzelnen?

  1. Mitarbeitende schulen – die Vielzahl neuer Gesetze und Verordnungen (aktuell die Trinkwasserverordnung allein mit 65 Seiten) schafft Unübersichtlichkeit
  2. Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist der Umgang mit dem neuen Begriff der Risikoabschätzung. Dieser ersetzt in der TrinkWV die „Gefährdungsanalyse“. Im Rahmen der Risikoabschätzung muss jetzt zusätzlich eine Bewertung erfolgen. Für jede einzelne Kombination von Gefährdungen und Gefährdungsereignissen, wie das Erreichen des technischen Maßnahmenwerts, sind das Schadensausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit einzuschätzen, um Handlungsempfehlungen sowie priorisierte Maßnahmen im Rahmen eines Risikomanagements abzuleiten – das erfordert Know-how.
  3. Die zu Covid-Zeiten verstärkt umgesetzten digitalen Prozesse könnten im Bereich der Trinkwasserhygiene einen größeren Stellenwert in Bezug auf Förderungen erhalten. Harmonisierungen von Datenaustauschformaten für Trinkwasseranalysen laufen bereits.
  4. Wer seine Trinkwasserinstallation digital überwacht, spart im Umkehrschluss auch Kosten in Bezug auf weitergehende Legionellenuntersuchungen, da die Abweichungen von den a.a.R.d.T. (allgemein anerkannte Regeln der Technik – Hinweis am Rande: die aktuelle Trinkwasserverordnung bezieht sich nur auf diese und macht keinerlei technische Vorgaben) schneller detektiert werden können. Zusätzlich kann im Optimalfall ein geregelter hydraulische Abgleich im Warmwasserkreislauf der Trinkwasserinstallation enorme Kosten einsparen. Im Heizungsbereich ist der optimale hydraulische Abgleich längst Konsens – und förderfähig.
  5. Labore müssen fortan die Legionellenbefunde an das Umweltbundesamt (UBA) melden. So bekommt das UBA erstmalig einen Überblick. Diese Kosten der Labore werden wahrscheinlich auf die Untersuchungskosten der Betreiber aufgeschlagen. Hier braucht es u.U. Nachjustierung.
  6. Eine weitergehende Untersuchung als Handlungspflicht bei offensichtlicher Ursache für die Havarie, sollte überdacht werden. Hier braucht es zudem ein einheitliches Vorgehen der Gesundheitsämter.
  7. Temperaturentwicklung des Kaltwassers bundesweit zu monitoren, auch wenn die Details dazu wie bisher das zugehörige Regelwerk wie DVGW W 551 und nicht die TrinkWV bestimmt: Bei Verdacht auf zu warmes Kaltwasser (>18° C) sollte auch das Kaltwasser auf Legionellen untersucht werden. Das wäre leicht durch die ohnehin bestehende Meldepflicht der Labore abzudecken.
  8. Deutliche Anpassung der Vorgaben: Durch den Klimawandel dürfte sich permanent die Temperatur in den Kaltwasserinstallationen erhöhen, was letztlich zu einer verbesserten Lebensbedingung für Keime führt. Normalerweise hat man so zwischen 8° C und 12° C Kaltwassertemperatur. Ab 20° C als pauschaler Wert fängt das Legionellenwachstum an. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) offiziell erst bei 25°C. Dieser Wert ist zu hoch!
  9. Einführung eines Transparenzregisters, wo man öffentlich einsehen kann, wie die Proben in der öffentlichen Gesundheit aussehen. Dies könnte ohne hohen Verwaltungsaufwand durch eine Aushangpflicht umgesetzt werden.
  10. Bundesweite jährliche Auswertung von Abkochgeboten/Trinkwasservorfällen ähnlich einem epidemiologischen Bulletin – durch Starkregenereignisse und andere Naturgewalten kann die Eintragung von Keimen in das Trinkwasser verstärkt auftreten.
  11. Stärkere Beachtung der Tatsache, dass der abgesenkte technische Maßnahmenwert (<100 Koloniebildenden Einheiten (KBE)/100 ml – bisher waren ≤100 „OK“) zu mehr Legionellenfällen führt. Und die neue Berechnungsart des technischen Maßnahmenwertes durch die Labore gemäß UBA-Empfehlung deckt nur die einfachen Fälle ab und es kommt in den Laboren unter Umständen zu unterschiedlichen Berechnungsmethoden. Auch hier braucht es eine verbindliche Regelung.

 

Das oben bereits angesprochene Fachgespräch im Bundestagsgesundheitsausschuss förderte folgende Aussagen/Themen mit Blick auf die ÖGD-Pakt-Weiterentwicklung zutage:

Johannes Nießen vom Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des ÖGD fordert eine nachhaltige Digitalisierung und Modernisierung sowie attraktivere Stellen im ÖGD, besonders für Ärzte.

Gottfried Roller vom Landesgesundheitsamt in Baden-Württemberg hebt die Bedeutung des ÖGD in der Corona-Pandemie hervor. Neue Herausforderungen ergäben sich aus dem Klimawandel, der demografischen Entwicklung, der Migration und der nötigen Digitalisierung

Thomas Altgeld von der Landesvereinigung für Gesundheit in Niedersachsen geht auf die Unterschiede in der Organisation des ÖGD in den verschiedenen Bundesländern ein. Welche Aufgaben soll der ÖGD im Rahmen der Daseinsvorsorge und insbesondere für vulnerable Gruppen konkret übernehmen? Den Mangel an aktuellen Daten für die Gesundheitsplanung sieht auch er kritisch.

Dagmar Starke und Stefanie Joos, beide aus dem Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens in Tübingen, betonen die Bedeutung einer evidenzbasierten Arbeit im ÖGD. Joos fordert eine stärkere wissenschaftliche Ausrichtung, eine systematische Vernetzung von Wissenschaft und ÖGD und verbesserte Präventionsmaßnahmen. Starke hebt praktische Herausforderungen im ÖGD hervor: Der Klimawandel ist eine anhaltende Krise. Einigkeit darüber, dass ÖGD-Pakt fortgesetzt werden muss.


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